Steine gegen Panzer…

18. Juni 2011

In Erinnerung an die Helden des 17. Juni 1953

Eine weitere, sehr sehenswerte Animation zu den Ereignissen des 17. Juni 1953 findet sich HIER.

 

 

Die Ereignisse des 17. Juni 1953

Dem Streikaufruf vom Vortage waren bereits in den frühen Morgenstunden einige tausend Menschen gefolgt, die sich trotz strömenden Regens auf dem Strausberger Platz einfanden. An diesem Tag entstand nicht nur ein einziger Demonstrationszug, sondern aus den Aussenbezirken Berlins zogen im Laufe des Vormittages streikende Arbeiter in verschiedenen Aufmärschen in den Stadtkern Ostberlins, denen sich aber auch Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner, Geschäftsleute, Angestellte und viele mehr anschlossen. Gegen 9.00 Uhr hatten sich in den Hauptstrassen, besonders im Regierungsviertel Berlins, zehntausende Menschen versammelt, um gegen die DDR-Regierung zu protestieren. Anders als am Vortag wurden nun vermehrt politische Forderungen laut. Die Demonstranten hatten sich in aller Eile Transparente zusammengebastelt und bekräftigten damit ihren Wunsch nach politischer Veränderung. Es kam zu Handgreiflichkeiten mit der Volkspolizei und Uebergriffen auf staatliche Einrichtungen. In mehreren Gebäuden, darunter dem Haus der Ministerien und der Volkspolizeiwache im Columbia-Haus, legten die Streikenden Brände. Der Zorn und die Unzufriedenheit der Aufständischen entlud sich auch in der Zerstörung zahlreicher Propagandaplakate der SED und sogar die rote Fahne auf dem Brandenburger Tor wurde von den Demonstranten heruntergeholt und unter grossem Jubel der Teilnehmer zerrissen. Mehrere Parteibüros wurden gestürmt und Funktionäre verprügelt. Die SED schien die gesamte Kontrolle verloren zu haben, und so sah sich der wahre Machthaber der DDR gezwungen, die Situation zu entschärfen: Die Sowjetunion.

Um 13.00 Uhr wurde vom Militärkommandanten des sowjetischen Sektors von Berlin, Generalmajor Dibrowa, der Ausnahmezustand über Ostberlin verhängt. Jegliche Demonstrationen und sonstige „Menschenansammlungen über drei Personen“ wurden verboten und ab 21.00 Uhr die Polizeistunde verhängt. Um zu bekräftigen, dass sie entschlossen waren, mit allen Mitteln die Kontrolle und höchste Autorität in ihrer Interessensphäre zu erhalten, entsendeten die Sowjets Marschall Wassili Sokolowski, den Generalstabschef der Sowjetischen Armee, in das Krisengebiet. Sie glaubten, so den Aufstand ersticken zu können. Doch auch sie irrten sich. Zwar kreuzten nun sowjetische Panzer auf und mit ihnen auch bewaffnete Soldaten, doch vermochten diese die Aufständischen nicht vollends abzuschrecken. Bald schon gab es unter den Demonstranten die ersten Toten und Verletzten. Nichtsdestotrotz wurde auf die sowjetischen Panzer mit primitiven Waffen eingeschlagen, sie wurden mit Steinen beworfen und man versuchte, sie durch Abbrechen der Funkantennen zu beschädigen. Diese Angriffe gegen die Uebermacht blieben jedoch die Ausnahme. Trotzdem dauerte es sehr lange, bis die Sowjets gemeinsam mit der Volkspolizei den Aufstand endgültig unterdrücken konnten. Um 21.00 Uhr waren die Strassen Ostberlins geräumt und die Knotenpunkte der Stadt mit sowjetischen Soldaten besetzt.

Die SED-Funktionäre verbrachten ihrerseits den 17. Juni zum grössten Teil in Angst um ihre persönliche Sicherheit einerseits und um ihre Position in der Partei andererseits. Nur wenige bekundeten ein gewisses Unwohlsein und Missfallen angesichts der aufgefahrenen russischen Panzer in Berlin.

Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Teilen der DDR ging die Bevölkerung am 17. Juni auf die Strasse. Diese Aufstände brachen aus, nachdem die Arbeiter vom Streik ihrer ostberliner Kollegen am Vortage erfahren hatten und sich mit ihnen solidarisierten. Es kam bei den Demonstrationen ausserhalb Berlins oft zu radikaleren Ausschreitungen; so wurden in einigen Städten Geschäfte geplündert und Angehörige der Volkspolizei getötet. Auch wurden Gefängnisse gestürmt und Gefangene befreit – politische sowie zum Teil auch nicht-politische. Diese Demonstrationen ausserhalb Berlins sollen in dieser Arbeit aber nicht näher behandelt werden.

Der grosse Volksaufstand vom 17. Juni 1953 wurde am selben Tage noch weitgehend niedergeschlagen; dies wohl aufgrund der schnell einmarschierten sowjetischen Truppen, ohne die die SED die Kontrolle über die Geschehnisse mit Sicherheit verloren hätte. Die letzten kleinen Unruhen, die im direkten Zusammenhang mit den Ereignissen vom 17. Juni 1953 standen, gab es am 15. Juli in einem Kupferbergbau in Helbra. Die Forderungen des 17. Juni 1953 sollten aber erst 37 Jahre später in Kraft treten.

 

2.2 Der Aufstand in Zahlen und Fakten

Aus offizieller DDR- bzw. SED-Sicht fiel die Bilanz des Aufstands wie folgt aus: In 272 der rund 10’000 Gemeinden der DDR sollen Unruhen stattgefunden haben. Die Zahl der streikenden Arbeiter schätzten sie auf etwa 300’000, was etwa 5,5 % der rund 5,5 Millionen Beschäftigten darstellte. Die Bilanz Grotewohls an der 15. Tagung der SED am 26. Juli 1953 lautete daher: „Das Geschrei von der angeblich einmütigen, leidenschaftlichen Forderung aller Arbeiter der Deutschen Demokratischen Republik nach Rücktritt der Regierung ist eine Lüge.“

Westliche Auswertungen sprechen jedoch, entgegen den offiziellen DDR-Berichten, von bis zu 373 Orten, an denen es zu Streiks und Demonstrationen kam. Ferner besagen sie, dass diese Gemeinden weit über die DDR verteilt waren und widersprachen so auch den Behauptungen Grotewohls, die ländliche Bevölkerung hätte sich nicht am Aufstand beteiligt. Nach neueren Forschungen lag die Zahl der streikenden Arbeiter zudem bei etwa einer halben Million, während die Zahl aller Demonstrierenden grob auf etwa drei bis vier Millionen geschätzt wird. Obwohl diese Zahl bei einer Wohnbevölkerung von 18,3 Millionen keine überwiegende Mehrheit ist und der Aufstand in erster Linie von der Arbeiterschaft getragen wurde, darf man beim 17. Juni durchaus den Begriff „Volksaufstand“ anwenden. Dies wird einerseits von der grossen räumlichen Ausdehnung des Aufstands und andererseits durch die politischen Forderungen der Teilnehmer, mit denen sich keineswegs nur die Arbeiter, sondern der weitaus grösste Teil der Bevölkerung in der DDR identifizierte, untermauert.

Die SED ihrerseits hatte andere Begriffe für den Volksaufstand: in der einzigen Zeitung der DDR, „Neues Deutschland“, war u.a. von einem „Abenteuer ausländischer Agenten“, einem „Verbrechen westberliner Provokateure“ und vor allen Dingen von einem „faschistischen Putschversuch“ zu lesen. Diese Begriffe waren – abgesehen davon, dass sie als propagandistische Lügen zur Wegwischung der wahren Ursachen dienten – insofern falsch, als dass der Volksaufstand nicht wie z.B. bei einem Putschversuch zentralisiert gelenkt wurde, sondern völlig spontan und in den einzelnen Gebieten unabhängig voneinander entstand und von sich ging, ohne jegliche Führungspersonen. Dies war wohl auch, neben der sowjetischen Militärpräsenz, einer der Hauptgründe für das schnelle Auseinanderfallen des Aufstands.

Nach Angaben des Staatsicherheitsdienstes der DDR wurden während dem Aufstand 25 Menschen getötet und 378 verletzt. Die tatsächliche Zahl dürfte wohl etwas höher liegen; westliche Schätzungen nennen 50 bis 569 Todesopfer; nach den neuesten Auswertungen wurden mindestens 125 Menschen getötet, davon 48 standrechtlich hingerichtet. Zu diesen strandrechtlich Erschossenen gehören auch mindestens 18 sowjetische Soldaten, die sich weigerten, auf die Demonstranten zu schiessen. Trotz allem ging die sowjetische Besatzungsmacht jedoch nicht so rücksichtslos und mörderisch vor wie es die westliche Welt behauptete. Bei einem solchen Umgang mit den Aufständischen wäre die Todeszahl weitaus höher ausgefallen, bedenkt man doch, dass die Sowjets mehrere Divisionen und einige hundert Panzer einsetzten.

 

Quelle: www.17juni1953.com

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