Eine Geschichte über den Kreislauf des Lebens
18.49 Uhr. Oh Nein! Nun aber schnell, es ist schon spät! Nach der Arbeit noch schnell zum Friedhof. Die Blumen müssen gewechselt und das Grab geharkt werden, wie es mir Mutter gesagt hatte. Eigentlich wollte ich schon kurz vor 16 Uhr zum Grab meines Großvaters, aber der Chef meinte, es gibt noch viel zu tun und fragte, ob ich nicht noch ein paar Überstunden machen könne. Widerwillig willigte ich ein. Ich als Lehrling kann dem Meister ja schlecht widersprechen. Wie sieht denn das aus? Schließlich kommt nur derjenige weiter, der unaufhörliche Opferbereitschaft zeigt.
So ähnlich sprach auch Großvater immer. Er sagte oft, dass man nur mit vollster Stärke im Leben weiterkommt. Er behielt recht. Das sehe ich jeden Tag, wenn ich zur Arbeit fahre. Alte verknöcherte Trinker und Jugendliche in meinem Alter auf der Straße, mit Bier in den Händen und das schon frühs. Das waren schon immer Abschreckungen für mich.
Auf dem Friedhof angekommen, suche ich schnell den Schuppen auf, wo die Gartengeräte drin sind. Abgeschlossen. Na toll. Wenigstens hab ich noch die Blumen. Ich tausche die welken Blumen aus und denke nach. Oft frage ich mich, was nach dem Tod mit uns passiert. In vielen Religionen spricht man vom Himmel oder der Wiedergeburt. Vater sagt immer: „ …was soll denn dann sein? Man liegt unter der Erde und spürt nichts. Und Ende.“
Als ich fertig bin, ist es schon fast dunkel. Es ist Mitte März, da ist das klar. Endlich nach Hause, denke ich mir. Auf dem Weg vom Grab meines Großvaters zum Ausgang des Friedhofs sehe ich ein Denkmal, welches mir beim Hinweg gar nicht aufgefallen war. Es ist riesig im Gegensatz zu den anderen Grabsteinen. Auf der Tafel stehen viele Namen, wie Heinrich, Hans und Paul. Typisch deutsche Namen eben. Ich muss mich ziemlich anstrengen, aber versuche trotz Dunkelheit zu lesen. „Zum Gedenken an unsere Helden, welche auf dem Felde der Ehre ihr Leben ließen“. Ein Denkmal von Hunderten.
Sollen all diese Männer ihr Leben für uns geopfert haben? Für uns, für Menschen, die noch nicht mal auf der Welt waren und die sie nicht kannten? Schon komisch – oder vielleicht doch nicht?
Ich versuche mich in die Lage eines solchen Soldaten hineinzuversetzen. Ich ziehe in den Krieg, aber wofür? In den Geschichtsbüchern waren oft Plakate aus dieser Zeit zu sehen mit Aufschriften „Für Familie, Volk und Vaterland!“. Unsere Lehrerin machte sich oft darüber lustig. Obwohl ich nicht lachen konnte, sagte ich trotzdem nichts. Eigentlich ist das doch gar nicht so abwegig. Man tritt für seine Heimat und für seine Kinder und Kindeskinder ein. Ein ewiger Kreislauf, der die Völker vor der Vernichtung bewahrte.
Ich persönlich finde es unfassbar ehrenhaft, eine solche Haltung gegenüber seinen Nachkommen und seinen Volksgenossen zu haben. Selbstlose und übermenschliche Taten machten unsere Soldaten ja schon seit Beginn an berühmt. Ich fragte damals meinen Großvater ob er sehr traurig war, als er erfuhr, dass sein Vater im Krieg gefallen war. Er entgegnete: „Ja natürlich. Aber er lebt unaufhörlich in mir weiter. Ebenso wie in Dir und in Deinen künftigen Kindern.“
Damals verstand ich diese Aussage noch nicht so recht. Ich war auch noch sehr klein. Aber ich denke ich weiß jetzt, wie er das meinte. Die Antwort ist unser Blut. Ich habe schon oft gehört, dass Fähigkeiten und Eigenschaften vererbt werden und oft sehe ich das an meinen Bruder. Er hat genau dasselbe handwerkliche Geschick wie mein Großvater. Ebenso dieselben Interessen. Ich erkenne mich oft in meinem Vater wieder. Die Liebe zur Natur verbindet uns schon, seitdem ich denken kann.
Ich finde es erstaunlich, welche Opferbereitschaft unsere Vorfahren an den Tag legten, um uns das Leben zu schenken und das über tausende von Jahren. Ich würde es genauso machen. Wie wohl die anderen darüber denken?
Dies ist die Geschichte eines Jugendlichen, welcher sich bewusst geworden ist, dass das Leben nicht nur aus Spaß und Selbstsucht besteht, sondern eine Aufgabe beinhaltet. Sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass die Zukunft unseres Volkes gesichert wird, wenn nötig auch mit Einsatz des eigenen Lebens. So erging es den Soldaten, deren Namen auf der Tafel stehen und die keine Sekunde zögerten, ihr Leben im Sinne der Gemeinschaft und der Familie zu geben.
Er ist ein Junge, der seinen Ahnen, wenn auch unbewusst, die letzte Ehre erweist, indem er die Fackel des ewigen Fortbestehens in sich selbst entzündet hat und weiterträgt. So tun wir es auch. Jeder entscheidet für sich aber unsere Meinung ist, dass unsere Vorfahren nicht umsonst gestorben sind. Wie wohl Ihr darüber denkt ?
Autor: „Freigeist“