Hilfe, Dioxin!

25. Januar 2011

„Gift“ im Essen: Die logische Folge eines perversen Systems

Die kapitalistische Lebensmittelindustrie ist seit einiger Zeit um einen weiteren Skandal reicher: Es ist Gift in unserem Essen! Dem gemeinen BILD-Zeitungsleser bleibt vor Schreck das Aufbackbrötchen mit der abgepackten Geflügelwurst im Halse stecken. Das Frühstücksei aus dem Discounter – immerhin aus „Bodenhaltung“, Käfighaltung gibt es ja offiziell nicht mehr – kommt zur Sicherheit lieber gleich in den Müll. Ist ja schließlich bestimmt verseucht. Verseucht! Hilfe, Dioxin! Wie kann das sein?

Eine fieberhafte Suche nach den Verantwortlichen beginnt. Tage später ist die Ursache geklärt: „Das Umweltgift Dioxin, das in den vergangenen Wochen in Tierfutter, Fleisch und Eiern nachgewiesen wurde, stammt aus altem Frittierfett unter anderem für Pommes Frites“, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 22. Januar. Das Frittierfett, so die SZ weiter, sei „schon vor der Verarbeitung dioxinbelastet gewesen. Es wurde filtriert, auf 250 Grad erhitzt und unter Druck destilliert. Dabei entstehen nicht nur Fette für die Biodiesel-Produktion, sondern als Abfallprodukt auch freie Fettsäuren. Diese waren dioxinbelastet. Die Firma [Petrotec] habe sie korrekt als technische Fette ausgewiesen und weiterverkauft.“

Schluss, aus. Ende der Debatte. Gehen wir wieder zur Tagesordnung über, bis die nächste sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben wird. Kein Kommentar dazu, wie es überhaupt passieren kann, dass „technische Fette“ als Tierfutter verwendet werden. Und keine Anstalten zu hinterfragen, welch krankes, ja geradezu abgrundtief perverses System sich über die letzten Jahrzehnte auf dem Sektor der Lebensmittelversorgung etabliert hat. Der Dioxin-„Skandal“ ist bestenfalls ein laues Lüftchen gegen das, was die moderne Lebensmittelindustrie (allein das Wort „Industrie“ in diesem Zusammenhang sollte einen hellhörig machen) tagtäglich fabriziert. Er ist vielmehr eine logische Folge unseres heutigen entfremdeten Verhältnisses zur Natur, das von Massentierhaltung, Profitgier und der Gedankenlosigkeit der Endkonsumenten geprägt ist. Wer fragt sich denn schon ernsthaft, woher die ganzen „leckeren“ Fleischwaren kommen, die in den kilometerlangen Kühltheken der Supermärkte zum Kauf locken? Der schier grenzenlose Überfluss hat uns abstumpfen lassen. Gedankenlos werfen wir die Fertigprodukte vom Regal in unseren Einkaufswagen, kaufen lieber das billige Fleisch „von der Stange“, als das frische vom Metzger und reiben uns dann verwundert die Augen, wenn wir erfahren, unser Essen sei „vergiftet“.

Weltweit stammen über 450 Milliarden Tiere aus Massentierhaltung. Die meisten davon sehen in ihrem Leben nichts als fahles Neonlicht und aneinander gepferchte Artgenossen. Sofern sie überhaupt lange genug am Leben gelassen werden. Sämtliche männliche Legeküken zum Beispiel werden nämlich direkt nach dem Schlüpfen gehäckselt – Sie können ja später keine Eier legen… Die Perversität, mit der wir unseren täglichen billigen Fleischkonsum bezahlen, kennt kaum Grenzen. Vor einigen Jahren dauerte es noch etwa acht Wochen, bis ein Masthähnchen die „Schlachtreife“ erlangt hatte. Heute sind es noch 32 Tage. Kürzere Lebensdauer bedeutet mehr Profit für die Lebensmittelkonzerne. Und mehr Antibiotika fürs Huhn.

Moderne Fabriken nach US-amerikanischem Vorbild ersetzen auch hierzulande die traditionellen regionalen Schlachthöfe. In den USA existieren schon jetzt im ganzen Land gerade noch 13 (!) gigantische Schlachthöfe, die für fast die gesamte Fleischproduktion der USA zuständig sind. Für US-Konsumenten ist es heute unmöglich nachzuvollziehen, woher ihr Fleisch, das sie auf dem Teller liegen haben, ursprünglich stammt. Zumindest, wenn es nicht von einem der wenigen verbliebenen regionalen Bio-Betriebe kommt.

Europas größte Fleischfabrik, die Firma B. & C. Tönnies, liegt im westfälischen Rheda-Wiedenbrück. Hier werden jedes Jahr 48 Millionen Schweine „von ‚Ferkelmaterial‘ in ‚Schlachtkörper‘“ umgewandelt. Im niedersächsischen Wietze soll derweil ein Hühnerschlachthof errichtet werden, in dem stündlich (!) bis zu 27.000 Hühner „verarbeitet“ werden sollen. Und warum das Ganze? FOCUS-Online gibt eine Antwort: „100 Gramm mageres Schnitzel kosten beim Discounter 59 Cent. Mehr wollen viele Verbraucher nicht bezahlen.“

Wer will angesichts dessen noch ernsthaft fragen, wie es zu dem vieldiskutierten „Dioxin-Skandal“ hat kommen können? Wer will da überhaupt noch von einem Skandal sprechen – ist doch der Alltag der Lebensmittelproduktion in den modernen Industrienationen schon Skandal genug.

Doch was ist zu tun? Ein Umdenken muss her! Wir müssen den Bezug zu unserer Nahrung wiederfinden. Müssen erkennen und wahrnehmen, dass es weder gesund noch selbstverständlich ist, sich Tag für Tag gedankenlos den Wanst mit billigem Discounter-Fleisch und Fertigfraß vollzustopfen. Das bedeutet noch nicht einmal, völlig auf Fleisch zu verzichten. Kontrollierter Konsum heißt das Zauberwort. Die Unterstützung regionaler Erzeuger und nachhaltiger Landwirtschaft ist auf lange Sicht gesehen der einzige Weg, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen und sich vor künftigen Skandalen einer ausbeuterischen Lebensmittelindustrie, die Mensch und Tier gnadenlos zu ihrem Werkzeug macht, in Sicherheit zu bringen.

 

Autor: Fritz Kempf

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