Ein alter Mann sagt die Wahrheit und die Republik heult auf
Da ist er wieder, der Aufschrei der Heuchler und pseudomoralischen Gralswächter. Da packen sie sie wieder aus, die altbewährte Keule. Skandal! Antisemitismus! Holocaust! Die hysterischen Ausrufe der bundesdeutschen Gesinnungspolizei verlieren sich in den immer gleichen Wortfetzen. Mit Schaum vor dem Mund geißeln sie einmal mehr den, der es wagt, das Wort gegen die verordnete Lüge zu erheben und die Wahrheit offen auszusprechen. Grass, dieser alte Mann, was erlaubt der sich eigentlich? Was nimmt sich dieser arrogante Literat das Recht heraus, dem Establishment in den Rücken zu fallen? Hat man denn nicht immer alles für ihn getan? Ihn mit Preisen überhäuft, ihn hofiert und ihm sogar seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS als „Jugendsünde“ verziehen? Und jetzt das! Ist das etwa der Dank? Eine Frechheit! „Damals war er ein SS-Mann, heute schreibt er wie einer“, geifert der jüdische Provokationspublizist Henryk M. Broder. Auch der berühmt-berüchtigte Zentralrat hat selbstredend dazu etwas zu sagen: „Ein aggressives Pamphlet der Agitation“ seien die Ausführungen des Schriftstellers Günter Grass, in denen er sich kritisch mit den Zusammenhängen des Nahost-Konflikts auseinandersetzt. Und CDU-Generalsekretär Gröhe schwadroniert in typischem Gutmenschenjargon: „Ich bin über die Tonlage, über die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt.“
Entsetzen, Empörung, Bestürzung. Man kennt sie gut, zu gut, die gängigen hohlen Floskeln der verlogenen „Eliten“ dieses Staates. Doch was ist überhaupt passiert? Nun, eigentlich nichts. Nichts weltbewegendes jedenfalls. Zumindest nichts skandalträchtiges in einem Land, in dem jeder sagen darf, was er für richtig hält. Aber genau hier haben wir die Crux: Denn in der BRD darf zwar tatsächlich per Gesetz jeder frei seine Meinung äußern. Aber eben auch nur, wenn es den gesellschaftlich sanktionierten Normen entspricht. Tut es das nicht, fallen die moralischen Instanzen dieser lustigen Republik gnadenlos über einen her. Gleichgültig, ob man nun Grass oder Müller heißt – an den allgemeingültigen Maulkorb hat sich jeder zu halten. Sonst setzt es Hiebe. Wo kämen wir denn auch hin, wenn hier tatsächlich jeder offen aussprechen würde, was er insgeheim denkt? Wäre ja noch schöner!
In der Regel geht diese Gängelung der öffentlichen Meinung gut. Zu viele haben zu viel zu verlieren, um es sich durch unzeitgemäße Äußerungen mit den Mächtigen zu verscherzen. Da bleibt man lieber stromlinienförmig, duckt sich, hält den Mund – und macht Karriere.
So dachte sich auch Günter Grass, Literaturnobelpreisträger und Aushängeschild der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur. Über sein Wirken und über sein Werk sich auszulassen, soll hier nicht Thema sein; festzuhalten ist an dieser Stelle nur, dass Günter Grass in seinem Schaffen und seinen Ergüssen zur deutschen Geschichte bis dato stets loyal im Fahrwasser der politischen Korrektheit gesegelt ist. „Der ewige Störenfried“ nichts weiter als ein linientreuer Pseudomoralist, der sich nur dort in Nesseln zu setzen pflegte, wo diese bereits platt getrampelt waren. Und nun auf einmal veröffentlicht besagter Günter Grass ein Gedicht in Prosaform, in dem er „die Atommacht Israel“ bezichtigt, „den ohnehin brüchigen Weltfrieden“ zu gefährden. Und er stellt sich selbst und allen anderen die berechtigte Frage: „Warum sage ich das erst jetzt?“
Ja, verehrter Herr Grass, warum eigentlich? Warum sagen Sie das erst jetzt, „gealtert und mit letzter Tinte?“ Der Alt-Literat liefert die Antwort gleich mit: „Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte“. Gut, da hat er Recht. Man ist als kritischer Außenstehender aber geneigt, noch hinzuzufügen: Weil der alte Mann, am Ende seines Lebens stehend, nichts mehr zu verlieren hat und deshalb frei von der Leber weg sprechen kann. Was soll ihm schon noch groß geschehen?
Weiter heißt es in dem Gedicht: „Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern (…).“ Das ist der Schlüsselsatz. Damit trifft Grass die Mainstream-Meinungsmacher ins Mark. Ausgerechnet er, einer der ihrigen, einer, den sie einst groß gemacht haben, reißt ihnen jetzt die Maske vom Gesicht. Klar, dass das einen Aufschrei quer durch die Bank des Establishments zur Folge hat. Grass würde die Realitäten verdrehen, wenn er Israel als Aggressor und den Iran als Opfer desselben darstelle, so der Tenor. Schließlich sei es ja genau andersherum – wie auch sicher jeder treue Konsument der Springer-Presse und anderer Mainstream-Medien einhellig bestätigen kann.
Ja, Günter Grass spricht wahre Worte. Worte, die jenen wehtun, die nicht müde werden, im Auftrag zielgerichteter Kriegsvorbereitungspropaganda jede noch so dreiste Verkehrung der Tatsachen den Menschen für bare Münze zu verkaufen. Grass sagt die Wahrheit, zweifellos. Und er besitzt ebenso zweifellos auch im Spätherbst seines Lebens noch das moralische und gesellschaftliche Gewicht, mit seinen Worten Diskurse anzustoßen. Dass dies der wohlfeilen Zionistenlobby so überhaupt gar nicht schmeckt, liegt auf der Hand. Und deswegen schreien nun alle laut und wie aus einem Mund: „Skandal!“
Dabei ist das Gedicht des Schriftstellers als Ganzes gesehen so „skandalös“ in keiner Weise. Auch nicht für die etablierten Meinungswächter. Schließlich liest man dort, neben allerhand üblicher Verweise auf die singulär schlechte deutsche Vergangenheit, unter anderem folgende Passage: „Warum aber schwieg ich bislang? Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist (sic!), verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.“
Gerade dieser Teil des Gedichtes offenbart, wie hanebüchen es ist, Günter Grass unter den Generalverdacht des „Antisemitismus“ zu stellen. Dieser Vorwurf jedoch ist ohnehin in jeglicher Hinsicht unseriös, verkörpert er doch nichts weiter als ein inhaltsleeres Werkzeug, um politisch unliebsame Meinungen mundtot zu machen und ins Abseits zu stellen.
Obige Gedichtspassage zeigt aber vor allem, dass es im Grunde gar nicht die Absicht des Literaten Grass ist, das zionistische Terror-Regime Israel als solches öffentlich zu geißeln. Vielmehr klingen seine Worte in diesem Kontext wie die besorgte Mahnung an einen alten, auf die schiefe Bahn geratenen Freund, doch bitte endlich wieder zur Vernunft zu kommen. Vernunft allerdings ist nicht die Tugend, mit der sich Israel seit 1948 weltweit einen Namen gemacht hat.
Sei es, wie es sei: der alte Mann hat ein Tabu gebrochen. Angriffe aus den eigenen Reihen schmerzen immer am meisten. Indem Günter Grass als ein Exponent des linksliberalen BRD-Establishments die verlogene Politik westlicher Regierungen und Medien im Hinblick auf die Nahost-Krise öffentlich als „Heuchelei“ brandmarkt, versetzt er der Säbelrasselpropaganda im Dienste Zions einen empfindlichen Schlag in puncto Glaubwürdigkeit. Getroffene Hunde bellen. So ist der allgemeine Aufschrei zu werten, der nun quer durchs Land zu vernehmen ist. Grass hat die Lügner gestellt, hat die israelhörigen Bluthunde des Westens zum Bellen gebracht. Das ist sein Verdienst. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Autor: Fritz Kempf