Eigenlob stinkt – und Papier ist geduldig

25. Oktober 2008

Dass Eigenlob unangenehme Gerüche verbreiten kann, ist eine alte Volksweisheit. Wie unangenehm jedoch der Duft von Selbstbeweihräucherung im Zusammenhang mit staatlich finanzierter Druckerschwärze sein kann, bewies dieser Tage einmal mehr das Kampfblatt der hauptberuflichen Volksverdummer im nördlichen Sachsen-Anhalt, die Magdeburger Volksstimme. Unter dem auch in sprachlicher Hinsicht etwas kränklich wirkenden Titel „Sachsen-Anhalt kommt voran“ veröffentlichte das langjährige Soziblatt am 24. Oktober 2008 eine wohl durch die Landesregierung initiierte und zumindest durch Steuermittel teilfinanzierte Anzeigen- und Sonderveröffentlichung, welche – die Papierqualität einmal ausgenommen – stark an die Propagandatradition der untergegangenen DDR erinnert.

Auch der Untertitel „Magdeburg auf gutem Weg“ lässt sich perfekt in diese Kategorie einordnen. Eine dümmlich in die Kamera grinsende Fünfjährige, welche auf ihrem T-Hemd die englischsprachige Aufschrift „Brasilianische Mädchen-Liga“ trägt, rundet das Bild in vollständiger Perfektion ab. Doch verzichten wir vorerst auf Häme, und unterstellen dem Machwerk aus Staatskanzlei (Propagandaabteilung) und Magdeburger Verlags- und Druckhaus erst einmal weder verlogene, noch heuchlerische Absichten, sondern blättern um, auf Seite zwei. Hier wird – zumindest dem tagesaktuellen Leser – mitgeteilt, dass die schwarz-rote Landesregierung unter diesem Datum Halbzeit feiert, man sich also genau in der Mitte der Legislaturperiode befindet. „Die Weichen sind richtig gestellt“ lautet demzufolge auch die Überschrift des Doppelinterviews, in dem Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und sein Vize, Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) ihre „Erfolge“ verkünden.

Verschwiegen wird selbstverständlich, dass selbst die besten Weichenstellungen nichts nützen, wenn auf den Schienen tagtäglich weniger Züge fahren. Und so haben die beiden Polithazardeure einmal richtig Gelegenheit, sich zu ihrer sozialen Verantwortung zu bekennen, die extrem gesunkene (weil extrem geschönte) Arbeitslosenquote zu feiern und sich ihrer sonstigen „Erfolge“ und „Verdienste“ selbstzuloben. Ein Bericht vom letzten SED-Parteitag dürfte kaum verlogener gewesen sein.

Richtig spannend wird es dann aber auf Seite fünf. Hier tritt uns im Rahmen einer Kolumne, in der diverse Bekanntheiten aus Sachsen-Anhalt den Satz „Sachsen-Anhalt kommt voran, weil…“ ergänzen sollen, Innenminister Holger Hövelmann (SPD, ehem. SED) entgegen, welcher den Satz mit „…immer mehr Menschen sich in ihrem Lebensbereich aktiv für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit stark machen“ vollendet. Nun, Sachsen-Anhalts bestbezahlter Knüppelschwinger wird es wissen müssen, immerhin trägt er die Verantwortung für Polizeiwillkür, fortgesetzten Rechtsbruch, Verfolgung Andersdenkender und und und. Alles Taten, welche die von ihm genannten Erscheinungen geradezu zwingend herbeirufen, wenn auch leider noch nicht bei allen Menschen zwischen Arendsee und Zeitz. Fast amüsant wirkt es da, wenn Justizministerin Angela Kolb (SPD) den Satz mit den Worten „…wir den Bürger in den Mittelpunkt von Recht und Justiz stellen“ beendet. Ob sie mit „Bürger“ die auf die Anklagebänke gezerrten Nationalisten der letzten zweieinhalb Jahre meint, bleibt vorerst unklar.

Doch nicht nur Landespolitiker in Feierlaune kommen in dem Volksstimme-Pamphlet zu Wort. Auch die reale Welt der Wirtschaft wird ein wenig beleuchtet. So wird dem Leser beispielsweise unter der Titelzeile „Personaldienstleister bringen Bewegung“ klar gemacht, wie herrlich es doch ist, für einen Lohn, der zum Sterben zu viel, zum Leben jedoch viel zu wenig ist, in irgendeiner Sklavenarbeiterfirma (neudeutsch Zeitarbeitsfirma) und möglichst ohne ein Mindestmaß an arbeitnehmerischen Rechten zu schuften, um sich dann alle 30 Tage zu fragen, wieso am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig ist. Eine Antwort, warum tausende sachsen-anhaltischer Arbeitnehmer trotz Vollzeitjobs nebenher noch immer am einkommensergänzenden Hartz-VI-Tropf hängen, gibt die Jubelpostille natürlich nicht.

Und selbstverständlich geht die Festschrift mit keinem Wort darauf ein, wo all die Milliarden Euro geblieben sind, welche alleine die aktuelle Landesregierung in den letzten Jahren irgendwo versenkt hat. Statt dessen soll einer breiten Öffentlichkeit vorgegaukelt werden, welche Verdienste sich die Böhmer/Bullerjahn-Clique um das Land erworben hat. Hierzu wird auf einige wenige „Wirtschaftsleuchttürme“ verwiesen, die tatsächlich in den letzten Jahren entstanden sind. Das jeder auf diesem Wege entstandene Arbeitsplatz mit vielen tausenden Steuereuros subventioniert wurde und wird, ist ein Umstand, der gerne verschwiegen wird. Und nicht zuletzt sollte sich der Leser des Volksstimme-Machwerks fragen, wer denn wohl für die vor ihm liegende Propagandaschrift bezahlt. Immerhin hat die private Wirtschaft schon längst begriffen, dass man mit zeitungsangebundenen Veröffentlichungen jede kritische Berichterstattung vorfeldmäßig verhindern kann, eine abhängigkeitsbezogene Gesetzmäßigkeit, welche nun offensichtlich auch der Politik bewusst geworden ist.

Michael Grunzel

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