Nachdem Bauarbeiter der Berliner Stalinallee am 16. Juni 1953 ihrem Frust über eine zu direkter Lohnkürzung führenden Erhöhung der Normen mit einer Demonstration zum Regierungssitz Luft machen, eskaliert am nächsten Tag die Lage in der gesamten DDR. Der von den Bauarbeitern für 7 Uhr ausgerufene Generalstreik erfasst schnell die gesamte Republik und macht auch vor unserer Heimat nicht halt.
Die Vorfälle sprachen sich wie ein Lauffeuer herum, so dass es bereits am Morgen des 17. Juni auch in Calbe zu angeregten Diskussionen zwischen zahlreichen Arbeitern, vor allem des örtlichen Eisenwerks kam. Wie andernorts auch bildete die bestehende Frustration über die herrschenden Zustände, der Hass auf die Regierenden aber auch die Solidarität zu den Berliner Bauarbeitern den Zündstoff für entsprechende Aktionen. In den Vormittagsstunden formierte sich so ein Protestzug von mehreren hundert Personen der schnell anwuchs. „Nieder mit den Normen“, „ Weg mit den Bonzen“, „Russen raus“ und „Freie Wahlen“ wurde von den Menschen gefordert. Am Rande der Demonstration wurden die überall präsenten Parolen und Bildnisse der Staatsmacht heruntergerissen und zertrampelt. Die Demonstranten besetzen das längst leere Rathaus – von den sonst allgegenwärtigen Genossen war niemand mehr anzutreffen. Der Bürgermeister hatte es vorgezogen vorübergehend Schutz in einem entfernten Kornfeld zu suchen.
Auch die örtliche Unterkunft der Volkspolizei ward von den wütenden Menschen bedacht. Ohne Gegenwehr ließen sich die Polizisten entwaffnen, Gewehre flogen in die Saale und Akten aus den Fenstern.
Am späten Nachmittag gehen die Menschen glückselig nach Hause – der Anfang einer neuen Ära ward jedoch trotz des erfolgreichen Tages noch in weiter Ferne. Daheim angekommen müssen sie dem westlichen Rundfunk ernüchternde, ja zerschmetternde Meldungen entnehmen. Als sowjetische Panzer gegen 21.00 Uhr kettenrasselnd auch in Calbe einfahren zerplatzt ihr Traum endgültig wie eine Seifenblase. Etliche Calbenser verschwinden in diesen Stunden für immer in den Westen oder aber für lange Zeit in den Zuchthäusern und Straflagern.