Gericht entscheidet: Aufenthaltsverbote dürfen Demoteilnahme in Leipzig nicht verhindern. Und: Auch An- und Abreise unterliegen dem Versammlungsrecht, daher darf die Polizei euch nicht vertreiben!
Nachdem am Donnerstagabend zahlreiche Nationalisten, darunter viele Aktivisten der JN, sogenannte „Aufenthaltsverbote“ für die Leipziger Innenstadt erhalten haben, führten wir am Freitag ein Eilverfahren. Am späten Abend hat das Oberverwaltungsgericht entschieden: Mit dem Aufenthaltsverbot darf nicht verhindert werden, dass Ihr an einer grundgesetzlich geschützten Versammlung teilnehmen dürft. Auch die An- und Abreise fallen unter diesen Schutz. Lediglich bei einem grundlosen „herumlungern“ in der Leipziger Innenstadt würde gegen das Verbot verstoßen. Deshalb: Lasst euch nicht einschüchtern!
Hier der entsprechende Auszug aus dem Beschluss im Wortlaut:
„Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung unter Verweis auf § 21 Abs. 7 Satz 4 (richtig: Satz 3) SächsPVDG ausdrücklich bestätigt, dass sich die Verbotsverfügung nicht auf die Teilnahme an Versammlungen bezieht. Dieses Verständnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in § 21 Abs. 7 Satz 3 SächsPDVG eine versammlungsrechtliche Grundentscheidung, nach der der Ausübung des Versammlungsrechtes Raum gegeben werden muss (SächsLT-Drs. 6/14791 S. 166 f.). In der Rechtsprechung ist überdies anerkannt, dass die An- und Abreise zur Versammlung vom Versammlungsrecht geschützt ist. Denn der Schutz des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit beschränkt sich nicht auf die Teilnahme an einer bestehenden Versammlung, sondern umfasst auch den Vorgang des Sich-Versammels. Dazu zählt namentlich der Zugang zu einer bevorstehenden oder sich bildenden Versammlung (vgl. BVerfG, Beschls. v. 11. Juni 1991 – 1 BvR 772/90 -, BverfGE 84, 203, 209; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 – 6 39.06 -, juris Rn. 38).“
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. November 2020 (Aktenzeichen 6 B 401/20)
Damit stellt das Gericht nicht nur klar, dass Aufenthaltsverbote keine Versammlungsteilnahmeverbote sein dürfen, es erteilt auch im Vorfeld der angekündigten Repressionen der Stadt Leipzig einen Rüffel: Die Stadt als Versammlungsbehörde hatte angekündigt, gegen Ansammlungen und „illegale Versammlungen“ konsequent vorzugehen. Tatsächlich darf sie aber gegen niemanden vorgehen, der sich auf dem Weg zu einer Versammlung befindet, auf dem Rückweg oder gerade dabei ist, etwa eine neue Spontanversammlung zu beginnen. Macht die Stadt – oder in ihrem Auftrag die Polizei – dies doch, ist dies ein offener Rechtsbruch und wird Konsequenzen nach sich ziehen!
Den Artikel zum ursprünglichen Demoverbot findet ihr hier.