Die Begeisterung kennt keine Grenzen: Etablierte Politik und Medien bejubeln den „Wahlsieg“ Mark Ruttes in Holland. Bei dem zur „Schicksalswahl“ für den Kontinent aufgeblasenen Urnengang wäre ein „Rechtsruck“ verhindert worden. Als Sahnehäubchen konnten dann auch noch die sogenannten „Grün-Linken“ ihr Wahlergebnis vervierfachen – Herz, was willst du mehr!
Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse ergibt sich ein differenzierteres Bild. Der „Sieger“ Rutte hat nach dem aktuellen Stand der Auszählung immerhin 10 Sitze (21,3%, -5,2%) im Parlament verloren. Das ist etwas weniger als erwartet und dürfte hauptsächlich daran liegen, dass er mit seiner rechtsliberalen VVD zahlreiche Positionen seines Hauptkontrahenten Geert Wilders (PVV) übernommen hat. Insbesondere sein konsequentes Auftreten im Konflikt mit der Türkei hat einen größeren Absturz verhindern können. Aber: Sieger sehen im Allgemeinen etwas anders aus!
Völlig abgestürzt ist Ruttes Koalitionspartner. Die Sozialdemokraten haben 29 von ihren 38 Sitzen verloren – die größte Niederlage (5,7%, -19,1%) ihrer Parteigeschichte!Nur so ist auch der Erfolg der „Grün-Linken“ zu erklären, die allerdings mit 8,9 Prozent (zuvor 2,3%) nicht nur weit hinter Wilders PVV gelandet sind, die 4 Sitze (entspricht 13,1%, +3%) dazugewonnen hat, sondern auch noch weiteren Parteien den Vortritt lassen mussten. So erreichte die CDA 12,5 Prozent (+4%), die D66 12 Prozent (+ 4%) und die SP 9,1 Prozent (-0,5%).
Bei einer derart starken Zersplitterung des Parlamentes dürften die Koalitionsverhandlungen schwierig werden. Hinzu kommt, dass mehrere Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen scheinen: Mit der PVV will Rutte nicht, mit den Grünen würde er seinen rechts-liberalen Kurs nicht fortsetzen können. Es bleibt also spannend. „Rutte ist mich noch lange nicht los“, kündigte Wilders schon gestern Abend auf Twitter an.
Wer glaubt, dass das nationale Erwachen und das Erstarken volksnaher Parteien mit den Wahlen in den Niederlanden beendet sind, könnte in diesem Jahr noch einige Überraschungen erleben.
Stefan P.