Rezension: Gefangen im Euro – Die Ratschläge eines deutschen Spitzenökonomen

11. Februar 2015

In dem, im April 2014  erschienen Buch „Gefangen im Euro“ beschreibt der Chef des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, welche Konsequenzen die Einführung des Euro für uns und ganz Europa heute bedeuten. Dabei hinterfragt er seine eigene noch im Jahr 2002 (Einführung des Euro) bestehende Affinität für den Währungswechsel und zieht heute ein eher ernüchterndes Resümee aus den vergangenen 12 Jahren. Sinn wäre nicht Sinn, wenn er nicht auch Alternativen zum derzeitigen Fiskalzustand der Europäischen Union parat hätte. So beschreibt er im zweiten Teil seines Buches einen 6-Punkte-Plan und schließt sein Prolog mit seiner Vorstellung eines einigen Europas.

Zusammen mit Jens Schadendorf führte Hans-Werner Sinn seit Oktober 2012 eine hitzige Diskussion über entscheidende Zukunftsfragen Deutschlands und Europa aus denen dieses Buch entstanden ist. Das Gespräch wurde in leicht modifizierter Form und mit fachlichen Ergänzungen in Form eines Prologes schriftlich zusammengetragen und steht nun als sehr gutes Nachschlagewerk für einen jeden an den wirtschaftlichen Vorgängen innerhalb der Bundesrepublik bzw. Europas interessierten im Buchladenregal zum Verkauf. Das Buch ist, wie bereits oben angedeutet, in drei Teile aufgegliedert. Im ersten Teil: „Die Eurokrise verstehen – ein Drama in sieben Akten“ führt Sinn dem Leser den Weg in die heutige Krise vor Augen und verdeutlicht die gewaltigen ökonomischen und politischen Fehler, die seit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht gemacht wurden. Zugleich verdeutlicht der Wirtschaftswissenschaftler die Ignoranz und Einfalt der politischen Akteure. Der Leser bekommt einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt der Einflusspersonen dieser europäischen Finanzpolitik und entblößt Herrschaften wie die von Mario Draghi als Dienstleister der Finanzmärkte. Dass Sinn seinen gesellschaftlichen Auftrag, die ökonomischen Verhältnisse in Bezug auf die sozioökonomischen Gesellschaftsstrukturen ernst nimmt, wird hier ähnlich seinen anderen Werken deutlich.


Immer wieder erinnert er daran, dass die im Maastrichter Vertrag enthaltenden Punkte eingehalten werden müssen, um den Erhalt der europäischen Völker sowie das friedliche Zusammenleben in Europa zu sichern. So gibt der Autor auf Seite 64 seinen Hader im Bezug auf die „Griechenlandrettung“ zu verstehen: „Bedenkt man aber, welch immensen Schaden dies für die Demokratie bedeutet und wie groß die Risiken der politischen Ansteckung sind – dass nämlich der Freikauf eines Landes die anderen ermuntert, sich weiterhin zu verschulden was […] auf jeden Fall Gefahren für das friedliche Gefangen im EuroZusammenleben der Völker bedeutet -, dann meine ich schon, dass man sich unter Abwägung aller Gefahren bei der Pleite Griechenlands im Jahr 2010 anders hätte entscheiden sollen.“ Auch zur „unabhängigen“ Pressearbeit, die mittlerweile in Deutschland nur noch als dogmatische Grundformel besteht, äußert sich der Spitzenökonom kritisch. Der geringe Bekanntheitsgrad des OMT-Programms (Outright Monetary Transactions) käme nicht von ungefähr. Innerhalb „der finanzkapitalistischen Mediendemokratie“ setze man auf „das Rezept zur Beruhigung der Lage“. So sei die Medienpropaganda einer sich beruhigenden Krise nur der Versuch die öffentliche Wahrnehmung abzuschwächen, während in Wirklichkeit die Risiken der Finanzmagnaten auf Rentner und Steuerzahler übertragen würden.
Letztlich konstatiert Sinn: „Das Europa, auf das wir hinsteuern – ja eigentlich schon das Europa, das wir haben –, ist ein anderes als das, was wir gewollt haben. Wir haben ein zentralplanerisches System geschaffen, in dem das Kapital durch zwei Organisationen, die EZB und den ESM, und unter Bedingungen, die im politischen Prozess festgelegt werden, nach Südeuropa gelenkt wird.

In seinem Teil 2: „Die Krise dauerhaft bewältigen – ein Sechs-Punkte-Programm“ lässt der Ifo-Chef seine ordoliberale Haltung deutlich werden, in dem er von einer klaren, wenn auch regulierten staatlich beeinflussten Wirtschaftsordnung schreibt. Hier scheint die Schule von Walter Eucken hervorzutreten, die eine vom Staat in Form eines Ordnungsrahmens beeinflusste Marktwirtschaft anstrebt.
Dabei gibt Sinn Alternativen zum bisherigen Weg in Richtung Euro-Bonds und Staatsanleihen. Ein Schuldenschnitt und eine Schuldenkonferenz hält er für notwendig und realistisch. „Es macht keinen Sinn [sic] mehr, sich noch länger vorzumachen, dass die Schulden zurückgezahlt werden“ heißt es auf Seite 128. Zudem ist Sinn einer der wenigen Mutigen, der es wagt den Austritt von Ländern nicht mehr als Tabuthema zu behandeln, sondern diesen ganz klar als Alternativlösung anbietet. Die Möglichkeit die eigene Nationalwährung abwerten zu können, ein entsprechendes Preis- und Lohnniveau einzurichten und somit wieder eine Gesundung der eigenen Volkswirtschaft zu gewährleisten, stellt der Münchner Forscher dem Leser in positiver Aussicht. Letztlich fordert er eine Neuordnung des gesamten EZB-Systems.


Dabei ist zu berücksichtigen, dass Sinn das Eurosystem lediglich reformieren will. Obwohl er im ersten Teil seines Buches genügend finanz- und wirtschaftsmathematische Argumente gegen die gesamte bisherige Konstruktion einer widernatürlichen Währungseinheit bietet, hält der Finanzexperte an einer scheinfriedlichen Idee der Europäischen Wirtschaftsunion fest.


So beschreibt er im Teil 3: „Europa nach vorn denken“ einen bundesstaatlich organisierten Kontinent, der nach US-amerikanischen Muster funktionieren könne. Deutlich wird allerdings auch, dass Sinn hier nicht von der Multikulturalisierung der Gesellschaften spricht, sondern lediglich den gesamteuropäischen Frieden ins Auge fasst. Sinn gibt selber dem Leser die ökonomischen Gegenargumente zu diesem Vorhaben. Offenbar hält er einzig und allein aus friedenspolitischen und völkerliebenden Gründen an diesem Vorhaben fest.


Obwohl sich damit Sinn selbst gewissermaßen widerspricht, ist es trotzdem empfehlenswert dieses Buch zu lesen, wenn man die Hintergründe der Finanz- bzw. Wirtschaftskrise durchleuchten und verstehen will. Zudem sind die Lösungsansätze zumindest in der gegenwärtigen Situation nachvollziehbar. Ein vereinigtes Europa ist nach Ansicht des Autors dieser Zeilen auch nicht abwegig, wenn auch in Form einer ökonomischen Gleichsetzung weder sinnvoll noch realisierbar. Der europäische Frieden sollte ein Anliegen eines jeden national oder patriotisch denkenden Menschen sein. Der Autor versteht sich genauso wie Sinn als glühender Europäer. Der Leser lernt Hans-Werner Sinn zum einen als Volkswirt und zum anderen als Europäer und Deutscher kennen. Sein Verdienst ist es, das er trotz gemeiner Anschuldigungen und Beschimpfungen bis heute seinen Standpunkt rational vertritt. Dieses Buch ist der beste Beweis. Der Inhalt verdeutlicht unangenehme ökonomische Wahrheiten und gibt zumindest Auswege aus der „Gefangenschaft im Euro“.

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