DRESDEN/VILNIUS. Am 11. März feierte Litauen seine Befreiung von kommunistischer Fremd- und Gewaltherrschaft im Jahre 1990. Bereits am 16. Februar beging das südlichste der drei baltischen Länder den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Auch offizielle Vertreter der Jungen Nationalisten nahmen an den Feierlichkeiten teil.
Europa wie wir es heute kennen ist jung, ein Augenschlag nur in der Jahrtausende tiefen Geschichte unseres Kontinentes. So markierten vor allem der Zerfall der Großreiche Österreich-Ungarn und des russischen Zarenreiches am Ende des Ersten Weltkrieges, die erneute Sezession des Deutschen Reiches nach 1945, sowie die Kriege in und um Ex-Jugoslawien die staatliche Neuordnung Europas. Neben Finnland, das bereits am 6. Dezember des vergangenen Jahres seine Unabhängigkeit vom zaristischen Russland feierte, begehen somit auch eine Reihe weiterer europäischer Staaten in diesem Jahr das einhundertjährige Jubiläum ihrer (wiedererlangten) Eigenstaatlichkeit. Neben Polen sind dies vor allem die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, welche ihrer äußerst offenen Haltung zur NATO und der Stationierung derer Truppen an der Ostflanke ihres unmittelbaren Einflussbereiches wegen immer wieder in den Medien präsent sind. Auch in Litauen ist seit 2017 ein 1200 Mann starker Kampfverband der NATO, die sogenannte NATO-Battlegroup Lithuania, stationiert. Auslöser für kontroverse Diskussionen, gerade unter Nationalisten. Um diese Zusammenhänge jedoch zu begreifen, lohnt sich ein Blick in die Geschichte des Landes, welche beispielhaft für den gesamten baltischen Raum, aber auch darüber hinaus, gelten kann.
Die erste Unabhängigkeitserklärung Litauens erfolgte am 16. Februar 1918. 1940 von der Sowjetunion besetzt und annektiert, wurde die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik, SSR, installiert und der Union der Sowjetrepubliken angegliedert. 1941 bis 1944 zunächst im deutschen Einflussgebiet, eroberte die Rote Armee das Land zurück. Erneut wurde die SSR in kraft gesetzt. Erst im Zuge des allgemeinen Zusammenbruchs des Ostblocks Ende des 20. Jahrhunderts, erlangte Litauen im März 1990 zum zweiten Mal seine Unabhängigkeit. Besonders in jenen Jahren ging das litauische Volk mit dem Verbot von Sprache, Schrift und Kultur, der Deportation Millionen Litauer in sowjetische Straflager, Folter und Mord einen unglaublichen Leidensweg durch die kommunistische Gewaltherrschaft, in welchem auch der Schlüssel zum Verständnis der bis heute anhaltenden Ablehnung gegenüber dem östlichen Nachbarn Russland und des damit einhergehenden Schutzbedürfnisses durch die NATO im Selbstbild jener Länder verborgen liegt. Nachvollziehen lässt sich dieser Leidensweg eindrucksvoll im Völkermord-Museum des ehemaligen KGB-Komplexes mit seinen Gefängnis-, Folter- und Hinrichtungszellen, an dessen Außenmauern die Namen vieler Opfer eingraviert sind und sich auf dem Vorplatz ein Denkmal zu Ehren der Opfer der sowjetischen Okkupation befindet.
Den Umwälzungen am Ende der 1990er Jahre vorangestellt war der als „Singende Revolution“ in die Geschichte eingegangene, friedliche Befreiungskampf der baltischen Völker gegen die sowjetische Umklammerung. Bereits am 20. März 1989 wurde die Flagge der Litauischen SSR wieder durch die traditionelle Trikolore ersetzt, deren Farben das Gold der wärmenden Sonne, das satte Grün der tiefen Wälder und das Rot der blutgetränkten Heldenopfer des Freiheitskampfes symbolisieren. Am 23. August 1989 fand die mit rund 2,5 Millionen Menschen und einer Länge von 600 Kilometern längste bekannte Menschenkette statt. Der „Baltische Weg“ führte durch das gesamte Baltikum und reichte von Vilnius in Litauen über Riga in Lettland bis nach Tallinn in Estland. Seinen Höhepunkt fand dieser Prozess schließlich am 11. März 1990, als Litauen als erster der baltischen Staaten seine Unabhängigkeit von der UdSSR erklärte. Als der Versuch der Sowjets fehlschlug, die Freiheitsbestrebungen durch eine groß angelegte Rohstoffblockade zwischen April und Mai 1990 zu unterbinden, forderte der in der westlichen Welt gefeierte Michael Gorbatschow das kommissarische Staatsoberhaupt Litauens auf, die sowjetische Verfassung anzuerkennen und damit auf die Unabhängigkeit zu verzichten. Am 13. Januar 1991, heute als „Vilniusser Blutsonntag“ bekannt, eskalierte die Situation. Bei dem friedlichen und unbewaffneten Versuch strategisch wichtige Punkte wie Regierungssitz und Fernsehturm zu schützen, fanden vierzehn Menschen den Tod. Sie wurden von sowjetischen Panzern überrollt oder erschossen. Mehr als eintausend Weitere wurden verletzt. Die Erinnerung an all diese Opfer ist unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis des litauischen Volkes eingebrannt, der 11. März seit jenen Tagen arbeitsfreier Nationalfeiertag. Unabhängig von den offiziellen Feierlichkeiten veranstalten seit 2009 auch nationalistische Organisationen einen Marsch anlässlich der Befreiung ihrer Heimat.
In diesem Jahr versammelten sich zu dieser Veranstaltung bis zu 2000 Menschen und zogen unter Sprechchören wie „Lietuva Lietuviams!“ (dt. Litauen den Litauern!) von der 1996 feierlich eingeweihten Statue des Großfürsten und Stadtgründers Gediminas auf dem Katedros-Platz über den Gediminas-Prospekt, eine in den Landesfarben geschmückte Hauptmagistrale, bis zum KGB-Komplex, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Unzählige litauische Nationalflaggen wehten über den Köpfen, Menschen ausstaffiert in den Farben ihres Landes, lachende Gesichter. Immer wieder erklangen auch Volkslieder, in welche Hunderte einstimmten. Ein Gegenprotest fand faktisch nicht statt.
Zu den Rednern der Abschlusskundgebung, bei welcher auch der sächsische Landesvorsitzende der JN und Leiter des BAK Europa, Maik Müller, sprach, zählten unter anderem auch Audrius Budrys, ein Unterzeichner des Gesetzes vom 11. März, Ökonom und stellvertretender Vorsitzender der Parteifraktion „Litauische Liste“ im Stadtrat von Vilnius; Dr. Liutauras Stoškus, Mitglied der Initiativgruppe der Unabhängigkeitsbewegung „Sąjūdis“; Dr. Romas Pakalnis, Naturwissenschaftler; Yuri Noievyj, Mitglied des politischen Rates der ukrainischen „Swoboda“; Arsenii Belodub, Mitglied des „Rechten Sektors“; Oleg Petrenko, Mitglied des „Nationalen Korps“ und Abgeordneter des ukrainischen Parlamentes sowie Mikalaj Statkewitsch, weißrussischer Präsidentschaftskandidat 2010, Mitglied der Belarussischen Sozialdemokratischen Partei „Narodnaja Hramada“ und Vorsitzender der Koalition „Belarussischer Nationalkongress“. Beendet wurde die Veranstaltung mit dem Absingen der Nationalhymne.
Einige kulturelle Ausflüge rundeten das Gesamtprogramm ab. So besuchten unsere Aktivisten die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute Wasserburg Trakai, welche in ihrem Inneren ein staatliches Museum mit eindrucksvollen Exponaten beherbergt. Auch besuchte man den 326 Meter hohen Fernsehturm, an dessen Fuß sowjetische Panzer friedliche Demonstranten überrollten, Menschen im Kugelhagel starben. Ihnen ist eine Ausstellung im Inneren des Sendeturmes gewidmet, der zum stummen Zeugen der blutigen Ereignisse des 13. Januar 1991 wurde. Ebenso die historische Altstadt mit all ihren Kirchen, alten Bauten und engen Gassen, der Universität, dem Präsidentenpalast und jenem Balkon, von dem aus am 16. Februar 1918 die Unabhängigkeit Litauens verkündet wurde, lohnt einen Besuch.
Das litauische Volk, welches sich seine tief verwurzelte Kultur auch über lange Jahre sowjetischer Okkupation und aller Verbote hinweg bewahrt hat, ist bis vor einigen Jahren von den Segnungen der so genannten westlichen Zivilisatoren weitestgehend verschont geblieben. Davon legt die tiefe Heimatliebe und feste Verbundenheit dieses baltischen Volkes zu seinen uralten Traditionen eindrucksvoll Zeugnis ab. Ob dies auch in Zukunft so bleibt? Seit dem 1. Mai 2004 ist Litauen Mitglied der Europäischen Union. Am 1. Januar 2015 erfolgte der Beitritt zur Eurozone. Globale Handelsketten wie IKEA und LIDL schießen allerorten aus dem Boden, der Mindestlohn liegt aktuell bei 2,45 Euro, dahinter nur noch Bulgarien, und die NATO nutzt das Land und seine historisch begründeten Ängste als Aufmarschgebiet in ihrem neuen Kalten Krieg gegen Russland.
Mit Hoffnung und Zuversicht wünschen wir dem litauischen Volk viel Kraft und streben dabei selbst jener Stunde entgegen, in der auch wir wieder rufen können: „Švęskime Laisvę“ – Lasst uns die Freiheit feiern!
BAK Europa