Als die Berliner am 13. August 1961 erwachten, war ihre Stadt in zwei Teile getrennt. Soldaten, Kampfgruppen und Polizisten hatten in den frühen Morgenstunden damit begonnen die ersten Drahtsperren anzulegen. Familienangehörige und Freunde, die in derselben Straße wohnten, durften nicht mehr zueinander. Wenige Tage später errichteten Bauarbeiter eine kilometerlange Mauer, die später zu einer gigantischen Grenzanlage ausgebaut wurde.
Rund 370.000 Deutsche wagten nach dem Bau der Berliner Mauer den Versuch, die DDR zu verlassen. Jede Flucht war ein Vorhaben auf Leben und Tod. Der spätere Staats- und Parteichef Honecker, der den Mauerbau koordiniert hatte, ordnete an, Flüchtende mit Waffengewalt zum Stehen zu bringen: „Gegen Verräter und Grenzverletzer ist die Schusswaffe anzuwenden“. Wer versuchte, vom Berliner Stadtteil Pankow in den Nachbarbezirk Wedding zu gelangen, musste damit rechnen, von DDR Grenzsoldaten erschossen zu werden.
Bis heute ist nicht genau bekannt, wie viele Deutsche ihr Leben bei der Flucht aus der DDR verloren. Nach Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft wurden nachweislich 270 Menschen an den Westgrenzen der DDR durch Schüsse oder Mienen getötet. Das Berliner Mauermuseum kommt auf insgesamt 1303 Menschen, die bei ihrer Flucht ums Leben kamen.
Noch viel mehr aber verschwanden in die Haftanstalten der SED-Diktatur. Seit 1961 wurden mehr als 72.000 Menschen wegen „ungesetzlichem Grenzübertritt“ inhaftiert: Deutsche, deren Flucht von den zahlreichen inoffiziellen Mitarbeitern des MfS verraten oder auf frischer „Tat“ gefasst wurden, Ausreiseantragssteller, Fluchthelfer. Wer Glück im Unglück hatte, wurde nach Monaten oder Jahren der Haft von der BRD freigekauft. Rund 100.000 DM ließ sich die DDR für jeden der fast 34.000 Freigelassenen bezahlen.
Anders als heute zuweilen wieder behauptet, beruhte die Stabilität der DDR nicht auf den „Bindungskräften” des „real existierenden Sozialismus”, sondern auf dem Einsatz von Gewalt: der Überwachung und Verfolgung im Inneren sowie einer nahezu unüberwindbaren Grenze nach außen. Wie ein Kartenhaus brach die SED-Diktatur in sich zusammen, als am 9. November 1989 die Mauer unter dem Druck Tausender Demonstranten fiel.
JN Nordsachsen